Das Jahr 1492, das mit der Übergabe Granadas an die Christen begann, sollte mit der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus enden. Die Zeit, die hierauf folgte, wird das goldene Zeitalter genannt. Nicht ohne Grund: Das Gold, das aus Amerika nach Spanien floss, brachte großen Wohlstand und führte schließlich auch zu einer Blüte der Künste. Aber man kann diese Periode auch ganz anders sehen: Sowohl die Reconquista als auch die Eroberung Amerikas waren die brutale Unterwerfung anderer Völker. Auch war 1492 das Jahr, in dem die Spanischen Juden vertrieben wurden.

Teil 3: Das Goldene Zeitalter

Die Entdeckung Amerikas

Die ersten Jahre im Leben des Cristoph Kolumbus liegen im Dunkeln. Vermutlich wurde er im Jahr 1451 in der italienischen Hafenstadt Genua geboren. Genua im 15. Jahrhundert war ein kosmopolitischer Ort. Genueser Händler dehnten ihre Geschäfte bis Sardinien, Sizilien und Spanien aus; im Osten bis Konstantinopel und Chios. Ware aus Afrika und Asien - Zucker, Gewürze, Sklaven - zog sie magisch an. Als der Islam den Weg nach Osten versperrte, orientierten sich die Genueser zunehmend zum Atlantik. Kolumbus hat seine erste Seefahrt etwa im Jahr 1470 unternommen. Aus vielen Aufzeichnungen und Berichten wird deutlich, dass er in den folgenden Jahren das Mittelmeer sehr gut kennengelernt hat. Mit dem Atlantik kam er im Jahr 1476 in Berührung, als fünf Genueser Segelschiffe nach England aufbrachen. Sie wurden beim portugiesischen Kap São Vicente von französischen Piraten angegriffen. In einer erbitterten Schlacht sanken Schiffe beider Seiten; unter anderem auch das Schiff, auf dem sich Kolumbus befand. Kolumbus konnte sich jedoch bei Lagos an den Strand retten. Von hier aus gelangte er nach Lissabon.

In Lissabon herrschte für einen Seefahrer eine höchst stimulierende Atmosphäre, die ganz durch die Eroberung der Ozeane gekennzeichnet war. Auf den Karten mussten immer neue, gerade entdeckte Inseln eingetragen werden: Darunter Madeira, die Azoren und die Kanaren. Unter Heinrich dem Seefahrer schickten sich die Portugiesen an, den östlichen Seeweg nach Indien zu entdecken. Im Jahr 1470 erreichten sie den Äquator, im Jahr darauf fanden sie Gold in Guinea. Ende der 70er Jahre heiratete Kolumbus, seine Frau stammte aus einer adeligen Familie mit Zugang zum portugiesischen Hof. Von seinem Schwiegervater, einem Kapitän, erhielt er im Jahr 1480 Karten und Aufzeichnungen von dessen Atlantikreisen. Darunter befand sich möglicherweise auch ein Brief des Florentiner Geographen Toscanelli, in dem dieser schrieb, dass man den Orient auch erreichen könne, wenn man nach Westen segelt. Irgendwann muss in Kolumbus die Idee erwacht sein, der Entdecker dieses westlichen Seeweges zu werden.

In diesen Jahren befuhr Kolumbus sehr intensiv den Atlantik. Dabei sammelte er wichtige Erfahrungen mit dem Navigieren auf offener See; außerdem kamen ihm immer wieder Dinge zu Ohren, die seinen Glauben an den westlichen Seeweg stärkten. So erfuhr er von einem portugiesischen Seefahrer, dass dieser 1.400 Meilen westlich von São Vicente ein Stück geschnitztes Holz gefunden hat, das von Westen herangetrieben sein musste. Die wichtigste Entdeckung war aber die der atlantischen Windsysteme. Vor Portugal und bei Madeira herrschten Westwinde vor; bei Reisen nach Afrika, zu den Kanaren und den Kapverdischen Inseln traf er auf stetige Nordostwinde. Entsprechend plante Kolumbus seine Route nach Indien so, dass er zuerst nach Süden segeln wollte, um in den Bereich der Westwinde zu gelangen. Ende 1483 oder zu Beginn des Jahres 1484 machte Kolumbus einen ersten Versuch beim portugiesischen König, Geld für dieses Vorhaben zu bekommen. Dessen Experten rieten jedoch ab.

Nach dem Tod seiner Frau machte sich Kolumbus auf den Weg nach Spanien, um dort Unterstützung zu erbeten. Seine erste Station war das Kloster La Rábida bei Cortes de la Frontera. Dort freundete er sich mit dem Bruder Antonio de Marchena an, der Zugang zum spanischen Hof hatte und ihm den Vortrag seiner Petition in Córdoba ermöglichte, wo sich die Könige gerade aufhielten. Hiermit begann für Kolumbus ein siebenjähriger Kampf um die Zustimmung. Im Jahr 1487 wurde sein Anliegen zunächst abgewiesen. Im folgenden Jahr versuchte Kolumbus es noch einmal in Portugal, doch hatte Bartolomeu Dias gerade das Kap der Guten Hoffnung umsegelt und somit den östlichen Seeweg nach Indien eröffnet. Die Portugiesen hatten kein Interesse mehr, sie schieden als Geldgeber aus. Kolumbus schickte seinen Bruder nach England, um dort Unterstützung zu suchen und reiste selbst nach Spanien zurück. Aus Anmerkungen in Büchern weiß man, dass Kolumbus zu dieser Zeit zum einen den Erdumfang um ein Viertel unterschätzte, zum anderen die Ausdehnung Asiens überschätzte. Dies führte dazu, dass er den Seeweg für wesentlich kürzer hielt, als er werden sollte - ohne diesen Irrtum hätte er die Reise womöglich nie gewagt.

Mit dem Fall Granadas kam auch für Kolumbus die Wende. Der Krieg gegen die Mauren war vorbei, das Interesse des Königreichs konnte sich nach außen wenden. Im April unterzeichnete Kolumbus einen Vertrag mit Kastilien; am Freitag, den 3. August 1492 stachen die 3 Schiffe Niña, Pinta und Santa María in See. Dass die Insel, auf der Kolumbus am 12. Oktober an Land ging, nicht zu Indien gehörte, sollte er bis an sein Lebensende nicht erfahren. Der große Seefahrer erwies sich als schlechter Verwalter, der wenig Glück mit seinen Entdeckungen hatte. Nach drei weiteren Reisen nach "Westindien" starb er im Jahr 1506 einsam und krank im spanischen Valladolid.

Der Beginn der Neuzeit

Die Spanischen Eroberer hinterließen in Lateinamerika ein Erbe aus Gewalt und Gesetzlosigkeit, das auch heute noch zu spüren ist. Gewalttätigkeit zeichnete schon die Vereinigung Spaniens durch die katholischen Könige aus. Ihr Fanatismus richtete sich vor allem gegen die Juden. Im Jahr 1480 kam die berüchtigte spanische Inquisition nach Sevilla. Hinter ihr verbarg sich, wie auch hinter den conquistadores, ein gerütteltes Maß an Habgier. Die Kirche und die Inquisitoren kamen im Verlauf der Inquisition zu großen Wohlstand. Im Jahr 1492 wurden die spanischen Juden vertrieben; nur konvertierte Juden (conversos) durften im Land verbleiben.

Die Mauren hatten es zunächst besser. Nach der Kapitulation von Granada im Jahr 1492 erhielt der Maurenkönig Abu ‘Abdallah (Boabdil) die Alpujarras als Lehen für sich und seine Erben, er ließ sich in Andarax nieder. Auf Seiten der Spanier gab es jedoch starken Widerstand katholischer Fanatiker gegen die Kapitulationsbedingungen, die den Mauren freie Ausübung ihrer Religion, Sitten und Gebräuche zusagten, und in der Folge begann Isabella eine Politik der gewaltsamen Bekehrung. Als der fanatische Kardinal Cisneros im Jahr 1499 die Taufe von 60.000 Moslems anordnete, brach die erste Revolte aus. Sie konnte erst 1501 nach dem Eingreifen von König Ferdinand niedergeschlagen werden. Den Moslems blieb danach nur die Wahl, zum Christentum zu konvertieren oder nach Afrika überzusiedeln. Die meisten blieben, hielten aber trotz des formalen Übertritts zum Christentum (woraufhin sie moriscos - “kleine Mauren” - genannt wurden) an ihren Gebräuchen und insgeheim auch an ihrer Religion weitgehend fest. Immer wieder gab es Versuche, dieses zu unterbinden. Im Jahr 1526 wurde ihnen unter anderem verboten, zu baden und ihre eigene Sprache zu sprechen. Dieses Edikt wurde zwar praktisch nicht angewendet, trug aber dennoch zur Verschlechterung des Verhältnisses zwischen moriscos und Christen bei. Auf Seiten der Christen kam zu dieser Zeit noch die Angst vor dem Osmanischen Reich; 1538 war das Jahr der großen Siege Süleymans des Großen, und die Aktionen und Überfälle von mit den Osmanen verbündeten Piraten im Mittelmeer häuften sich. Die Christen sahen die moriscos als potentielle Verbündete der Türken bei einem Angriff, daher wurde Ihnen 1562 das Tragen jeglicher Art von Waffen verboten. Zur Explosion kam es 1568, als die Einhaltung der Regelungen etwa des Edikts von 1526 verwirklicht werden sollte. Der zweite große Aufstand begann im Albaícin in Granada, wurde dann aber im wesentlichen in den Alpujarras ausgetragen. Im Jahr 1571 siegten die Christen; die moriscos mussten das frühere Königreich Granada verlassen - wer nicht nach Nordafrika gehen konnte, wurde nach Kastilien verbracht (etwa ein Drittel starb jedoch auf dem winterlichen Marsch in den Norden).

Ferdinand und Isabella wollten nach erfolgter Eroberung Granadas auch städtebaulich Zeichen der neuen Zeit setzen, wobei sie zumindest in Granada durchaus Respekt vor der maurischen Architektur bewiesen. Sie wählten die Alhambra als ihren Sitz und ließen sie sorgfältig renovieren. Auch der Albaicín und die Alcazaba blieben weitgehend unberührt. Die neue Zeit zeigte sich aber im unteren Stadtteil. Neben der ehemaligen Hauptmoschee wurde eine Grabstätte für die Könige errichtet, die Königliche Kapelle (capilla real). Sie wurde von Enrique Egas im gotischen Stil errichtet, der jedoch von der Renaissance nahestehenden Mitarbeitern deutlich beeinflusst wurde. Enrique Egas begann im Jahr 1523 auch den Bau der Kathedrale, die an Stelle der Hauptmoschee errichtet wurde. 5 Jahre später übernahm jedoch Diego de Siloé die Bauleitung. Inzwischen war Karl V. spanischer König, der bereits in der Alhambra einen Palast im Renaissancestil errichten ließ. Diego de Siloé war der erste große Renaissance-Architekt in Andalusien, er prägte auch die Kathedrale in diesem Stil. Die Kathedrale von Granada war nur eine von vielen, die zu Ehren Spaniens und der katholischen Kirche errichtet wurden. In Córdoba, Almería, Guadix, Málaga und Jaén gibt es weitere Beispiele. Die Kathedralen von Málaga und Jaén wurde von dem nächsten großen Renaissance-Architekt Andalusiens, Andrés de Vandelvira, gebaut. Sein Arbeitsschwerpunkt lag aber vor allem in den Palästen und Kirchen der Zwillingsstädte Ubeda und Baeza - vor allem Baeza wirkt noch heute wie einem Bildband über die Renaissance entsprungen.

Am stärksten wirkte sich die Entdeckung der neuen Welt in Sevilla aus. Seit dem 12. Jahrhundert war Sevilla bereits die größte Stadt Spaniens; dass sie zum Sitz der Inquisition wurde, stärkte noch ihre Stellung. Entscheidend war aber, dass hier im Jahr 1503 das Casa de Contratación angesiedelt wurde, das Handel und Politik mit der neuen Welt verwaltete. Alle Schiffe zwischen Europa und der neuen Welt mussten von da durch Sevilla. Allein zwischen 1530 und 1580 verdoppelte sich die Bevölkerung Sevillas; der Boom lockte Menschen aus allen Teilen Spaniens und Europas an. Händler aus Flandern, Deutschland und England wanderten ein. Alles drehte sich ums Geld; viele wurden reich, ob sie nun Schiffe besaßen oder ausrüsteten, Nahrungsmittel oder Gewehrpulver herstellten, oder als Silberschmiede und Münzpräger den Reichtum der neuen Welt verarbeiteten. Dieser Reichtum lockte natürlich auch jede Art von Unterweltlern und Glücksrittern an. Und ihm stand eine ungeheure Armut gegenüber: Die Zahl der Bettler und Prostituierten war Legion. Im 16. Jahrhundert kam es zur Trennung von Arm und Reich in Nord- und Südstadt - ein heute noch weitgehend gültiges Schema. Verbrecher konnten ihrer Strafe leicht entgehen, indem sie Zuflucht in der Kathedrale suchten oder einfach nach Amerika auswanderten. Im Stadtbild brachte das "goldene Zeitalter" Anbauten an die Kathedrale wie die Sakristei; im benachbarten Alcázar wurden die Gärten nach dem Vorbild der italienischen Renaissance umgestaltet und der Pavillon Karls V. entstand. In dieser Zeit entstand auch die Casa de Pilatos, in dem sich maurische und Renaissance-Elemente in einmaliger Weise mischen.

Anfang des 17. Jahrhundert begann der Niedergang Sevillas - der einen allgemeinen Bedeutungsverlust Spaniens begleitete. Die immensen Reichtümer aus der neuen Welt wurden für militärische Kampagnen verschwendet und Seuchen dezimierten die Bevölkerung. Wirtschaftlich gewannen die Staaten Nordeuropas an Bedeutung, die nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges 1618-1648 zunehmend im Mittelmeerraum handelten. Im Jahr 1620 musste schließlich die Casa de Contratación nach Cádiz verlegt werden, da der Guadalquivir zusehends versandete. Kulturell aber begann gerade jetzt eine Blüte. Maler wie Velázquez, Zurburán und Murillo wirkten hier; Barockbauten wie die Iglesia de la Caridad entstanden. Eine Reihe weiterer Barockbauten entstand im ländlichen Andalusien: die Kapelle der Iglesia de San Mateo in Lucena, der Palacio del Duque de Gomera in Osuna, die Kapelle in Priego de Córdoba. Vorbild war der andalusische Barock auch in Lateinamerika, wo er unverkennbaren Einfluss auf den Baustil hatte. Eines der letzten Bauwerke des "goldenen Zeitalters" und zugleich eines der ersten Beispiele für Industriearchitektur ist die zwischen 1728 und 1757 erbaute Tabakfabrik - bekannt wurde sie als Arbeitsplatz einer gitana namens Carmen, die durch Bizets Oper zu einem Symbol Andalusiens wurde.

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© Jürgen Paeger 1993 - 2014